11. Sept. – 22. Dez.
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FRANK UND PATRIK RIKLIN
UNKONVENTIONELLE IDEEN FÜR EINE NEUE WIRKLICHKEIT

Christian Wäckerlin, Kurator, flankiert von Frank und Patrik Riklin, Atelier für Sonderaufgaben, am Schaffhauser Rheinufer (Bild: Peter Pfister)

Diesmal werden die Kunstkästen von den international bekannten St. Galler Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin bespielt. Sie sind in Schaffhausen bereits zum zweiten Mal zu Gast. Bereits 2008 haben sie mit einer Strassensperre am Rheinufer, die kurzfristig als Korridor für Passanten diente, für Aufregung gesorgt. Die Künstler, bekannt für ihre unkonventionellen Ideen, planen auch diesmal eine Überraschungsaktion. «Aktion 14. 9. – Überfall auf die Wirklichkeit» heisst die Performance, die in der Stadt Schaffhausen stattfinden wird. Was an diesem Tag zu erwarten ist bleibt vorerst ein Geheimnis. Nur so viel: Wer die Aktion verpasst, hat am 17. September an der Museumsnacht Gelegenheit, die Videoaufzeichnungen der Aktion zu sehen. Frank und Patrik Riklin, die 1999 das klein-künstlerische Unternehmen «Atelier für Sonderaufgaben» gründeten, sind vor allem bekannt durch ihr «Null Stern Hotel-Konzept», das weltweit für Furore sorgt. Die Idee setzten die Künstler erstmals in der St. Galler Gemeinde Sevelen in einem Bunker um, den sie mit alten Möbeln einrichteten. Weitere bekannte Arbeiten sind unter anderem die Aktion «Fliegen retten in Deppendorf», eine Kooperation mit dem Insektizidhersteller Reckhaus aus Bielefeld (siehe Werkstattgespräch) und das Projekt «BIGNIK», eine Installation eines riesigen Picknicktuches, das gemeinsam mit der Bevölkerung zusammengenäht und nachher im öffentlichen Raum installiert und genutzt wird. «BIGNIK» ist der Versuch, eine einzigartige gemeinschaftliche Tradition und Plattform für die Region zu schaffen.

WERKSTATTGESPRÄCH
Frank und Patrik Riklin bevorzugtes Arbeitsfeld sind Nischen, die vernachlässigt werden. Sie glauben an die gesellschaftliche Relevanz der Kunst, sofern diese nicht im Kunstrahmen stattfindet. Sie sind wenig kompromissbereit was ihre Arbeit angeht, dafür punkten sie um so mehr mit unkonventionellen Ideen. Was es damit auf sich hat, erklärt Frank Riklin anhand von drei typischen Riklin-Aktionen.

Werkstattgespräch mit Frank Riklin, Schaffhausen/St.Gallen, 18. August 2016 / Aufgezeichnet von Claudia Härdi

Zurzeit läuft bei den Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin im «Atelier für Sonderaufgaben» in St. Gallen wieder einmal das Telefon heiss. Grund dafür ist vor allem ihr neuster Coup: Die Eröffnung ihres neuen Null Stern Hotels im Bündner Safiental. Diesmal werden Übernachtungen in einem frei stehenden Doppelbett unter freiem Himmel angeboten. Um die Gäste sorgt sich ein moderner Butler. Diese Aufgabe übernehmen die Bewohner des Tales. Das immobilienbefreite Hotel ist die Fortsetzung ihres im Jahr 2008 lancierten Null Stern Hotelkonzepts, das mit dem Motto «Null Stern – the only star is you» einherging. Die Idee setzten die Künstler erstmals in der St. Galler Gemeinde Sevelen in einem Bunker um, den sie mit ausrangierten Biedermeier-Betten aus stillgelegten Luxushotels einrichteten. Frank Riklin: «Die Resonanz war verblüffend. Aus über 29 Ländern der Welt reisten Gäste an, um im weltweit ersten Null Stern Hotel zu übernachten. Wir waren selbst überrascht, wie sehr das eingeschlagen hat».

Das Schlüsselwerk
Die Kunstinstallation «Null Stern Hotel» hat weltweit für Furore gesorgt. Dadurch ist das Projekt auch ein Schlüsselwerk für die Künstler geworden, die mit ihrer Arbeit bestehende Systeme hinterfragen, durchbrechen und unterwandern wollen. «Das Null Stern Projekt hat uns bestätigt, dass wir mit unserer Arbeit eine neue Wirklichkeit schaffen können. Es hat uns ebenfalls bestätigt, dass die Arbeit ausserhalb der repräsentativen Kunstwelt ungeahnte Möglichkeiten bietet. Unsere Haltung hat sich dadurch geschärft», sagt Frank Riklin, der sich heute bereits zu den Schweizer Millionären zählen könnte, hätten die Riklin-Zwillinge das Angebot eines russischen Investors angenommen, der ihnen «schwindelerregende Beträge» für die Marke «Null Stern – the only star is you» bezahlen wollte. Eingegangen auf den Deal sind die Künstler nicht. Grund dafür: Dem Investor habe Sinn für Idee und Philosophie des künstlerischen Konzepts gefehlt. «Das wäre ein Verrat an der Kunst gewesen», sagt der Künstler. «Wir hätten unsere Glaubwürdigkeit verloren», betont er. «Inhalt unserer Arbeit ist die Kunst – nicht das Geld», fügt er hinzu und doppelt nach: «Wir machen Kunst. Wir sind keine Dienstleister. Darauf müssen sich diejenigen, die mit uns arbeiten wollen, einlassen».

Fliegen retten in Deppendorf
Auf ihre Arbeitsweise und ihre Forderung eingelassen hat sich beispielsweise der deutsche Unternehmer Dr. Hans-Dietrich Reckhaus. Ursprünglich wünschte sich der Leiter der Bielefelder Insektenbekämpfungsmittelfirma «Reckhaus» eine Kampagne für eine neue Fliegenfalle. Die Riklin-Brüder, die sich mit dieser Idee überhaupt nicht anfreunden konnten, schlugen ihm jedoch eine umfangreiche Fliegenrettungs-Aktion vor. Sie wollten die Nützlichkeit von Insekten in den Vordergrund stellen und nicht deren Vernichtung. «Entscheidend und Bedingung für die Gegenstrategie war, dass Reckhaus es auch wirklich ernst meinte und so zum öffentlichen Gesicht der Aktion wurde», erzählt Frank Riklin. 2012 war es soweit: Bewohner vom Bielefelder Ortsteil Deppendorf haben einen Tag lang Fliegen gerettet, die in einem artgerechten Glaskasten in einem Festzelt abgeliefert wurden. Höhepunkt der Aktion war die Verlosung eines Wellness-Ausflugs nach Oberbayern für zwei Fliegenretter und eine Fliege. Absurd oder nicht. Die Aktion hat bei Reckhaus eine nachhaltige Wirkung erzielt. Heute möchte der Unternehmer Konsumenten zu einem bewussteren Einsatz von Insektiziden anregen und deren Hersteller für sein neues Label «Insect Respect» gewinnen. Dieses Label soll dafür sorgen, dass für Insekten, die durch ein Insektizid bekämpft werden, artgerechte Ausgleichsflächen geschaffen werden. Reckhaus selbst ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat auf seinem Firmendach einen solchen Insekten-Lebensraum geschaffen.

Strassenkorridor in Schaffhausen
Keine Missverständnisse über ihre künstlerische Haltung und ihre Arbeitsweise gab es 2008 im Rahmen des Schaffhauser-Projekts «ausufern», ein Projekt, das von Christian Wäckerlin in der «Vebikus Kunsthalle Schaffhausen» im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Rheinufers kuratiert wurde. Irritierend und eigenwillig war die rund 7-minütige unbewilligte Aktion trotzdem, wenn auch weniger nachhaltig als die Fliegen-Aktion. «Mit vier Lieferwagen haben wir für die Bevölkerung eine quer zur Rheinuferstrasse liegende Passage erstellt. Die Schiebetüren der Wagen liessen wir beidseitig offen. Dadurch entstand ein temporärer Korridor über die verkehrsreiche Strasse», erinnert sich Frank Riklin. Die Lieferwagen sorgten dafür, dass die Passanten die Strasse überqueren und sich gleichzeitig in den Wagen mit Wurst, Brot und Getränken verköstigen konnten, die lokale Unternehmer gespendet hatten. «Der damalige Stadtpräsident Marcel Wenger, der unverhofft Teil der Aktion wurde, habe die Strassensperre in seiner Funktion als Polizeireferent nachträglich noch bewilligt».

«Aktion 14.9. – Überfall auf die Wirklichkeit»
Für URBANSURPRISE, im Rahmen der neuen Kunstkästenstaffel planen die Riklins in Schaffhausen eine weitere Aktion in ihrem Sinne. Das heisst: Die «Aktion 14. 9. – Überfall auf die Wirklichkeit» ist Kunst, die dort platziert wird, wo sie niemand erwartet. Kunst, die Teil der Gesellschaft ausmachen will, denn für Kunst in Kunsträumen interessiert sich das St. Galler Duo herzlich wenig. Für Projekte, die viele Leute mit einschliessen, für Projekte, die im Prozess geboren werden, hingegen schon. Das Telefon klingelt erneut. Frank Riklin muss los, obwohl er und sein Bruder Patrik stets betonen, dass sie eigentlich gar nichts müssen.

MEDIENMITTEILUNG 13. SEPT. 2016

Sehr geehrte Kunst- und Architektur-Interessierte,
Sehr geehrte Medienschaffende

Medienmitteilung: «Überfall auf die Wirklichkeit» der Riklin-Brüder aufgeschoben!

Die für Mittwoch in der Stadt Schaffhausen vorgesehene Kunstintervention «Aktion 14.9. – Überfall auf die Wirklichkeit» der Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin wird bis auf weiteres aufgeschoben. Grund dafür ist die Bildung der Komplizenschaft, die mehr Zeit in Anspruch nimmt als geplant, wie die beiden Künstler vom St.Galler Atelier für Sonderaufgaben gestern mitteilten. Nächste Informationen folgen, sobald die Aktion stattgefunden hat. Ort und Zeitpunkt bleiben weiterhin geheim.

Riklinsche Programmänderung an der Museumsnacht
An der Museumsnacht vom Samstag, 17. September 2016 wird anstelle der Filmpräsentation über die geplante «Aktion 14.9.» ein älteres Video der Riklin-Brüder mit dem Titel «Aktion 29.2.» gezeigt, das 2008 für die Ausstellung «ausufern – Positionen und Zugänge zum Schaffhauser Rheinufer» in der Vebikus Kunsthalle entstanden ist. Die damalige Aktion wurde von zehn Jugendlichen mit dem Handy aufgenommen und als Video offiziell noch nie veröffentlicht. Die Präsentation findet ab 20 Uhr an der Baumgartenstrasse im Kammgarn-Areal statt, unweit vom Tatort entfernt, wo der damalig 20-minütige Überfall stattgefunden hat.

«Aktion 29.2.»

VIDEO-ARTWORK: Dokumentation Mark Riklin
https://www.youtube.com/watch?v=oN5cwNzJUg4

Atelier für Sonderaufgaben:
Original Filmbericht via Handy-Kameras aus der Aktion heraus aufgenommen:
https://www.youtube.com/watch?v=HSEPzmJxzOA

MEDIENMITTEILUNG 12. DEZ. 2016

Sehr geehrte Kunst- und Architektur-Interessierte,
Sehr geehrte Medienschaffende

«Überfall auf die Wirklichkeit» – ein Riklinsches Zückerli!

-> Die Kunstkasten-Staffel von Frank und Patrik Riklin ist bis 22. Dezember 2016 verlängert worden.

-> Die Vernissage der Staffel 1/17 mit Markus Wetzel ist am Samstag, 7. Januar 2017

-> Zur Vorbereitung der geplanten Kunstintervention: „Überfall auf die Wirklichkeit“ findet am Dienstag, 20. Dezember, 17:30 Uhr im Hof hinter dem Hotel Sorell, Oberstadt 20, Schaffhausen das konspirative Treffen mit den Riklins statt!

-> Profitieren Sie von diesem artonomischen Angebot und beachten Sie auch die Informationen in den Kunstkästen

VERNISSAGE

Alle Bilder: Rudolf Wäckerlin

PRESSE

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