8. April – 18. Juni

FOKUS ILLUSTRATION – SECHS JUNGE ILLUSTRATORINNEN UND ILLUSTRATOREN

Zwischen Bahnhof und Rhein übernimmt diesmal die Illustration die Kunstkästen. Sechs junge Künstlerinnen und Künstler fokussieren mit ihren handgezeichneten Protagonisten und ihren Welten auf die Stadt, auf Architektur und Kunst oder auf den Kontext des Kunstkastens in der Schaffhauser Altstadt. Damit werden die Kunstkästen für einmal zu einem Raum der reinen Imagination. Von der gezeichneten Reportage über poetische Umschreibungen, von klassischen Bildgeschichten über Plakate bis hin zu freien künstlerischen Zeichnungen. Die Bandbreite der Arbeiten der sechs Illustratorinnen und Illustratoren ist gross. Ihre Zeichnungen sind skizzierte Gedanken, Entwürfe für ein Bild, Tagebuch-Notizen und Mosaikstein einer eigenen Welt. Ein Denken in Bildern, das entsprechend dem jeweiligen künstlerischen Temperament akzentuiert wird.
Texte von Claudia Härdi, 19. März 2017

MARTINA WALTHER
KASTEN 1 Ticketeria / Bahnhof Schaffhausen

Martina Walthers Zeichnungen und Bildgeschichten haben eine sehr eigenwillige poetische Bildsprache. Auch wenn ihre Arbeiten je nach Auftrag sehr unterschiedlich sind, letztlich haben sie ihrem Wesen nach eine übereinstimmende Formensprache, die an den naiven Realismus in der Malerei erinnert. Wie zum Beispiel die farbigen Illustrationen, die sie 2015 für eine Maturarbeit zum Konjunktiv in der berndeutschen Sprache geschaffen hat. Oder auch ihre Bildvorschläge für das Cover der «Vamos» Eltern-Kind-Reise-Kataloge sowie ihre verschiedenen gestalteten Karten sind Beispiele für diese typische Ausdruckskraft. Wie das politische Thema „Fremde und Grenzen“ poetisch umgesetzt werden können, zeigt die Künstlerin in ihrem Comic «Zwischengrenzen», den sie 2016 für die Oktoberausgabe der Zeitung «Le monde diplomatique» geschaffen hat. Poetisch ist auch ihre Bildergeschichte «Die Reifung», die zeichnerisch das Thema „älter werden und jung bleiben“ umkreist. Es ist ein Beitrag, den Walther für das Comicsmagazin «Strapazin» gezeichnet hat.
www.martinawalther.ch

KOONI
KASTEN 2 Vordergasse 73 / Lichtformat

Superhunde, Frösche mit Fühlern, Kängurus, Vögel aller Art, neongelbe Jaguare, seltsame Urtiere und Chimären, Mischwesen, die sich aus Teilen von zwei oder mehreren Lebewesen zusammensetzen. Sonderliche, sehr kuriose Tierchen bevölkern die Zeichnungen von Kooni alias Lea Wäckerlin, die in Schaffhauser Kulturkreisen keine Unbekannte ist. Ihre Zeichnungen leben von skurrilen Details und einer unheimlichen Fülle an Szenen. So zum Beispiel ihre Zeichnungen rund um das Bistro «Kaffeeklappe» in Hamburg. Dort sitzen in Koonis Welt seltsame Tierkreaturen, Menschen und eine zweiarmige Kaffeetasse gemeinsam am Tisch. Eine reich illustrierte Geschichte mit einer Fülle von Details findet man auch in ihren Zeichnungen vom Musik- und Kunstfestival in Garbicz, Polen, in der Nähe von Berlin. Hunderte gut gelaunter Figuren scheinen sich hier auf einem einzigen Zeichenblatt zu tummeln. Koonis Lust am Fabulieren steckt an und überträgt sich auf den Betrachter. Ihre Zeichnungen laden dazu ein, sich damit zu amüsieren, jedes versteckte Detail zu entdecken. Kooni hat 2011 den Schaffhauser Contempo-Preis gewonnen und ihre Arbeiten an diversen Ausstellungen gezeigt.
www.kooni.ch

SIMON KIENER
KASTEN 3 Zur Moosente

Naher Osten: Drei Polizisten prügeln auf einen abgemagerten nackten Mann ein, der am Boden liegt, sich krümmt und sich schützend die Arme vor das Gesicht hält. Zweite Szene: Kämpfer stehen auf Ladeflächen ihrer Toyotas und strecken demonstrativ ihre Gewehre in die Luft. Hinter ihnen wirbelt der Staub der trockenen Strasse auf, während zwei junge Männer sich auf dem Weg ins Flüchtlingslager unterhalten. Es sind gezeichnete Szenen, die Simon Kiener 2016 für eine Infoplakatserie der privaten, gemeinnützigen Organisation «Stand Up For Refugees» kreiert hat. Um Krieg geht es auch in Kieners Comic, den er 2015 gezeichnet hat. Es ist eine Geschichte über einen Vater, der seinem Sohn im Museum den Krieg erklären muss und kläglich scheitert. Kiener hat diese Geschichte im Comicmagazin «Strapazin» publiziert. Weiter porträtierte der Illustrator einen Arbeitstag in einer Basler Bäckerei in einer Abfolge von losen Skizzen und mit einfachen virtuosen Strichen. Ein Bäcker knetet den Teig durch. Auf einer Anrichte steht eine Teigmaschine. Ein anderer Bäcker füllt den Backwagen mit neuer Ware. Hände wallen Teig aus und schneiden Baguettes in Stücke. Mit Stift und Zeichenblock begleitete er bereits ein Jahr zuvor Jäger und dokumentierte eine Treibjagd mit seinem Stift. Die Zeichnungen wurden im «Jagd&Natur» Jägermagazin veröffentlicht.
www.simonkiener.ch

TIZIAN MERLETTI
KASTEN 4 Rheinquai zw. Güterhof und Bretterhof

Tizians Merlettis Bildgeschichten sind schlicht gezeichnet, auf das Wesentliche reduziert und von einer subtilen Ironie durchzogen. Bestes Beispiel dafür ist seine Serie von alltäglichen Szenen auf einem Balkon – ein Mikrokosmos zwischen Intimität und Öffentlichkeit. Ein Mann, zum Beispiel, steht auf dem Balkon und raucht. Er trägt lediglich ein Unterhemd. Auf der Balkonbrüstung stehen zwei Kakteen, die genauso viele Stacheln besitzen wie sein unrasiertes Gesicht. Eine Frau macht ihre Fitnessübungen vor dem laufenden Fernseher. Das Frotteetuch liegt über der Brüstung bereit. Ein Mann sitzt an einem Tisch in der rechten Balkonecke. Vor ihm stehen leere Flaschen. Seine Frau, die ihm Nachschub bringt, sieht er doppelt. Dieser subtile Bildwitz zieht Merletti konsequent Bild für Bild durch. Auch in seinen weiteren Bildgeschichten, zum Beispiel über den «Frohsinn», die Stammbeiz von Hansueli, Peter, Jacob und Sepp, überzeugt der Künstler mit seinem lakonischen Humor und untrüglichen Gespür für die Komik im Alltagsleben.
www.tizianmerletti.ch

CONRADIN WAHL
KASTEN 5 Rheinquai 16, Anlegeplatz 4

«Zwei» heisst Conradins Bildgeschichte, die von zwei Männern handelt, die einander auf dem Rücken durch den Zoo zum Affenhaus tragen. Parallel zum Comicheft hat er seine Huckepack-Figuren in der Luzerner Galerie «theQ» lebensgross an die Wände gezeichnet und ergänzend dazu einzelne Figuren dreidimensional umgesetzt. Das Werk ist im Rahmen des letztjährigen Comicsfestival «Fumetto» entstanden. Der junge Comic-Zeichner wurde 2016 für die Fumetto-Schleuder auserkoren. In der Fumetto-Schleuder bekommt jeweils ein Schweizer Talent die Möglichkeit, eine Hauptausstellung sowie eine Publikation zu gestalten. Ein Jahr zuvor hat er die Bildergeschichte «a skin begins a life by itself» kreiert. Eine rosarote Welt, in der sich ein Mann wie eine Schlange häutet. Die Haut jedoch erwacht zum Leben und übernimmt Schritt für Schritt das Leben dieses Mannes, bis sich dieser wehrt. Eine weitere Figur, die der Fantasie des Zeichners entsprungen ist, ist Mr Ape. Seit 2013 zeichnet Wahl das Leben und die Gedanken von «Mr Ape» auf, der für eine Banane auch töten würde und vergeblich versucht, mit seiner Lebensgefährtin, der Sexmaschine, zu kommunizieren. Mit einfachen klaren Strichen gezeichnet gibt es noch weitere Protagonisten in Wahls Bildwelt. So zum Beispiel Mr Saiko, einen berühmten Spielzeugdesigner, und Mischwesen, die sich aus Menschen und Händen zusammensetzen.
www.conradinwahl.ch

LENA SCHEIWILLER
KASTEN 6 Ende Rheinquai, beim Bootshaus

In der Stadt Zürich wird es enger. Die Mieten steigen. Menschen werden verdrängt, und mittendrin steht das «Koch-Areal». Während Wochen schafft es das «Koch-Areal» immer wieder auf die Titelseiten des «Tages-Anzeigers», schreibt Lena Scheiwiller. Mit ihrer Bildgeschichte «Züri Chocht» zeichnet sie sich 2016 ihren Ärger über die Reglementierungswut der Stadt und die einseitige Berichterstattung vom Leib. Es ist eine politische Bildgeschichte, die sich deutlicher auf ein aktuelles Thema fokussiert. Weiter hat die Illustratorin in ihrem detaillierten, losen Zeichenstil die Schreinerwerkstatt und die Leute von «Kollektiv Werk» in Zürich porträtiert. Ebenfalls in ihrem Portfolio finden sich zeichnerische Reportagen. So hat sie zum Beispiel den Basler Boxclub und den Basler Schwergewichtsboxer Arnold Gjergiaj «The Cobra», der in London gegen den Weltmeister David Haye in den Ring stieg, zeichnerisch festgehalten. Ganz anders geartet ist ihre freche Bildgeschichte «Wir schlagen Löcher in den Asphalt und freuen uns über den Schutt», welche die Illustratorin 2015 kreiert hat. Es ist eine Bildgeschichte über eine junge Frau, die mit ihrem Leben nicht ganz klarkommt. Mysteriös, dunkel und sehr spannend ist wiederum ihr klassischer Comics «in dieser Stadt» den sie 2016 im Comicmagazin «Strapazin» veröffentlicht hat.
www.lenascheiwiller.ch

VERNISSAGE

Alle Bilder: Andres Bächtold

PRESSE

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